MFG: Google, FBM, NPD und AFD ist nicht o.k.

Autor: Jürgen Volk

Was bleibt von der Frankfurter Buchmesse und dem Auftritt der neuen deutschen Rechten außer der Gewissheit, dass für viele die heilige Institution der Buchmesse entweiht wurde? Denn für die meisten Messebesucher, egal ob Leser oder im Literaturbetrieb tätige Menschen (uns inklusive), kam und kommt es nun einmal einer Tempelschändung gleich, wenn diejenigen, die gegen Werte antreten, für die das Buch seit Reformation und Aufklärung steht, mit allen Mitteln der Provokation auftreten, um ihre Demagogie zu entfalten.
Dieser jüngste Auftritt der neuen deutschen Rechten belegte nur, was die Wahl schon zeigte – und das ist vielleicht der einzig gute Aspekt daran: Wahl wie Buchmesse bildeten ab, wie es in der Gesellschaft aussieht. Es lässt ratlos zurück. Was kann man tun – als Bürger und als Büchermensch? Es genügt jedenfalls nicht, mit der Antifa zu sympathisieren oder auch nicht, um sich dann über deren Mittel und Vorgehen zu streiten. Es genügt auch nicht, sich als Adressaten der Kritik und als Instanz, die es richten soll, die Frankfurter Buchmesse auszusuchen, wie es als erster Reflex geschehen ist. Was soll sie auch tun? Sie hat keine Wahl und muss die Stände zulassen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels? Die Verantwortung auf den Verband abzuschieben kann auch nicht die Lösung sein, vor allem, weil er mit seinen Aktionen für Freiheit und Toleranz auf der Buchmesse, aber auch zuletzt hier in Berlin mit #nichtzuendeln keinen Vorwurf verdient. Wer also? Vielleicht die einzelnen Akteure?

Der Buchhandel selbst ist engagiert, auch wenn es Ausnahmen gibt wie Hugendubel. Dort sieht man sich als „neutraler Buchhändler“, wobei man sich fragen kann, ob eine Auslage oder ein Büchertisch mit rechtem Gedankengut noch immer als „neutral“ gelten kann oder nicht doch eher als unverantwortlich profitorientiert. Es ist wahrscheinlich eine Frage der Größe des Unternehmens. Das Gros der Buchhändler jedenfalls ist engagiert, so engagiert, dass es bereits Übergriffe gab – der Aufschrei hätte damals größer sein müssen.
Die Größe des Unternehmens gibt m.E. auch in der Verlagsbranche den Ausschlag. Ein großer Publikumsverlag wird sich wohl auch nicht so schnell gegen Rechts stellen – sei es auf der Messe oder den Rest des Jahres über. Es gibt viele unabhängige Verlage, die sich engagieren – in Form ihres Programms. Wir selbst greifen gesellschaftliche Themen auf, zuletzt dezidiert zum Rechtsruck im Lande mit Georg Schaars Erzählung Neue deutsche Heimat … Leider ist der Text zu kurz für eine Printausgabe und was die Formel E-Book + Kleinverlag bedeutet, davon hat Birgit Rabisch bereits im letzten Blogbeitrag Warum ich unter der Vergabe des Literaturpreises an Kazuo Ishiguro gelitten habe ein Lied gesungen …

Getan werden muss etwas, auch in einem weiteren Kontext, denn was mich mehr geschockt hat als die Nazi-Opferlamm-Messenereignisse, war im Nachhinein – dies die Ursache dieses Beitrags – der Blick auf mein Smartphone.
Über sechs Monate habe ich nun ein neues Smartphone, ein Android-Gerät. Vorher nutzte ich ein Ubuntu-Phone, auf dem der Today-Scope und der Newsfeed nicht algorithmengesteuert waren, sondern konfigurierbar. Seit über einem halben Jahr versuche ich dem Pendant – dem Google-Feed – beizubringen, dass mich AFD, Identitäre, rechte Medien im Allgemeinen nicht interessieren, und klicke brav „Dieses Thema interessiert mich nicht“ oder „Kein Interesse an Artikeln von Compact“. Bis zur Bundestagswahl dachte ich dann, Google hätte mich – auch im Angesicht meiner täglichen Recherchen – endlich verstanden. Dann ging die Geschichte wieder von vorne los. So wie eben zur Buchmesse. Unter dem Thema „Du hast Interesse an Frankfurter Buchmesse gezeigt“ poppten Beiträge identitärer Seiten auf, vor allem Blogs. Erst nach mehrmaligem Bekunden meines Desinteresses ging es in vertrauenswürdigere Gefilde wie die Süddeutsche Zeitung oder Die Zeit. Es ist ja bekannt, dass in alter Weimarer-Republik-Manier die Justiz in Sachsen und anderen Teilen der Republik auf dem rechten Auge blind ist. Was ist, wenn Google auf dem linken Auge blind ist? Oder platzieren sich die Rechten (wie auch in den Sozialen Netzwerken) nur besser als alle anderen? Und das wäre auf Dauer äußerst gefährlich …
Wenn es sich so verhält, wäre dann mit dem Blogger nicht der Akteur schlechthin gefunden, der etwas gegen den Einbruch der Rechten in die Bücherwelt tun könnte? Es gehört zum Bloggeralltag, sich um Klickzahlen zu bemühen, sich fortwährend an Suchmaschinen anzupassen und den Wirkungskreis zu erweitern, dazu – zumindest bei jenen, die den Anspruch haben – Kritik zu üben. Wie wäre es wohl, wenn die engagierten Menschen in der Blogosphäre in einer gebündelten Aktion (nur eine Woche lang) vom Konsens des „Was mir gefällt“ und „positive Aspekte hervorheben“ absehen würden und die Bücher der rechten Verlage besprechen würden, um die Demagogie offenzulegen und deren Strategie zu demaskieren? Sie sollten das hermeneutische Handwerkszeug dazu besitzen.
Wäre das für die gesamte Blogosphäre des Literaturbetriebs nicht auch ein Ausweg aus der selbstverschuldeten Reduktion auf ein Marketinginstrument der Verlage? Letzteres sorgt in Verbindung mit selbst auferlegtem Leistungsdruck immer mehr für Unbehagen, auch in Bloggerkreisen, wie man beispielsweise bei Papiergeflüster und Buchrevier lesen kann. Die Antworten auf diese Fragen, auch ob der Literaturblogbetrieb grundsätzlich und notwendigerweise eine (nicht-erwerbstätige) Mimikry des Literaturbetriebs sein muss, stehen auf einem anderen Blatt. Ich jedenfalls bin mir sicher, Verlage, Buchhandlungen und Verbände würden sich einer Blogger-Initiative, die die rechts-demagogischen Machwerke in Buchform demontiert, unterstützen, würden sich mit ihren Ressourcen anschließen.

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